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Ein Beitrag von
Timothy Oesch
Generalsekretär

Die Krux mit dem Lohn

Bildungspolitische Gedanken zur Lohngleichheitsdemo

Vor über zwei Jahrzenten erliess die Bundesversammlung das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann, kurz Gleichstellungsgesetz. Diese Gesetzesnorm forderte, nebst vielem anderem, dass der Bund Massnahmen verfolge, welche «die Durchsetzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit (Art. 8 Abs. 3 BV) erleichtern»[1] soll. Über 25 Jahre ist dieses Ziel jedoch noch nicht erreicht. Werden wir das Ideal der Lohngleichheit jedoch erreichen, indem wir nur die Unterschiede in der Bezahlung gleicher Arbeit beseitigen? Ich meine: Nein.

Um eine sinnvolle Diskussion über dieses Thema führen zu können, hier eine kurze Definition von einigen Begrifflichkeiten: Die Lohndifferenz ist der effektive Unterschied zwischen den durchschnittlichen Löhnen der Geschlechter in einer Branche, einem Sektor etc. Ein konkretes Beispiel: Alle Löhne von Männern innerhalb eines fiktiven Betriebs durch die Anzahl Männer beträgt zum Beispiel 4’800 Franken pro Monat. Alle Löhne von Frauen in diesem Betrieb durch die Anzahl Frauen beträgt 3’864 Franken pro Monat. Dies entspricht einer Differenz von 936 Franken oder 19.5%, welcher der durchschnittlichen prozentualen Differenz der Löhne im privaten Sektor der Schweiz entspricht.

Innerhalb dieser Lohndifferenz gibt es einen sogenannten «erklärten Anteil», welcher durch beispielsweise Merkmale bezüglich Qualifikation, persönlicher Merkmale, beruflicher Stellung und ausgeübtem Beruf, Unternehmensgrösse, Branchenzugehörigkeit, Region und weiterer lohnrelevanter Merkmale hergeleitet werden kann. Dieser «erklärbare Teil» umfasst im privatwirtschaftlichen Bereich 61% der gesamten Lohnungleichheit aus. Nebst diesem «erklärbaren Teil» existiert jedoch auch ein «unerklärter Anteil». Dieser Anteil, welcher im privaten Sektor 31 % des Lohnunterschiedes oder 7.5% des gesamten Lohns (in unserem Beispiel 360 Franken im Monat) beträgt, ist nicht auf objektive Merkmale zurückführbar: In diesem Moment verdient eine Frau aus dem simplen Grund, dass sie eine Frau ist, weniger. Im allgemeinen Sprachgebrauch spricht man hier von der «Lohndiskriminierung».

Ich hoffe, dass wir einer Meinung sind, liebe Leserin und lieber Leser, dass es unbedingt nötig ist, diesen unerklärten Teil zu bekämpfen. Es ist inakzeptabel, dass eine Frau, welche einer Arbeit, die in allen Belangen zur Arbeit ihres männlichen Pendants identisch ist, nachgeht und sie die exakt gleichen beruflichen Voraussetzungen und Qualifikationen wie besagter Mann mitbringt, durchschnittlich 7.5% weniger verdient als ihr männlicher Kollege. Es gibt in meinen Augen aber auch ein anderes Problem: Es klingt schön und gut, dass Frauen «einfach schlechter qualifiziert sind» als ihre männlichen Kollegen oder «schlicht einer schlechter entlohnten Arbeit» nachgehen. Hierbei besteht in meinen Augen jedoch ein Problem: Sind Frauen grundsätzlich schlechter qualifiziert? Entscheiden Sie sich eigenständig dazu, einen niedereren Bildungsweg zu verfolgen und dadurch weniger gute Löhne zu erhalten?

Es ist einfach einen Grund für ein Problem zu finden, dieses Problem darauf zu begründen und die Schuld damit der vom Problem betroffenen Gruppe selbst zuzuschieben. «Die Frauen sind selbst schuld, dass sie durchschnittlich weniger verdienen!», hört man allzu oft. Sehen wir den Tatsachen jedoch ins Auge: Es sind nicht Frauen, welche sich dazu entschliessen, eine «schlechtere Arbeit» auszuüben. Es sind Geschlechterrollen, welche jungen Mädchen und Kinder dazu sozialisieren und erziehen.

Was heisst das jedoch konkret? Die gesellschaftlichen Stereotypen machen sich in unserer Gesellschaft in verschiedenen Formen sichtbar. Keine Person wird es rational erklären können, dass Frauen in Führungspositionen branchen- und sektorenunabhängig untervertreten sind. Wenn ausschliesslich die biologische Ebene beachtet wird, so unterscheiden sich weibliche Körper zwar in physischen Eigenschaften von männlichen (so sind «normativ weibliche Körper» beispielsweise nicht so gut für schwerste körperliche Arbeit ausgestattet, wie es männliche sind, was jedoch nicht bedeuten sollte, dass Frauen keine schwere körperliche Arbeit erledigen können), rein von den Führungs- und mentalen Kapazitäten sind sie jedoch nicht von ihren männlichen Artgenossen zu unterscheiden. Frauen sind also nicht weniger «fähig» einen besser bezahlten Job auszuüben als Männer. Auch die Ausbildungsgrundlage zwischen Männern und Frauen haben keinen Einfluss darauf, wie die Qualifikation einer Einsteigerin oder eines Einsteigers in den Arbeitsmarkt aussieht, im Gegenteil: Seit längster Zeit schliessen mehr Frauen eine Ausbildung an einer höheren Ausbildungsstätte, wie einer Universität oder einer Hochschule ab, als Männer. Keinesfalls möchte ich hier berufsbildende Ausbildungswege abwerten! Es ist jedoch so, dass ein direkter Zusammenhang zwischen universitären und Hochschulabschlüssen und langfristig einem höheren Einkommen besteht.

Welcher Umstand ist es also, der Frauen dazu bringt, durchschnittlich weniger zu verdienen als Männer? Das Problem, wie es sich möglicherweise bemerkbar macht, liebe Leserin, lieber Leser, ist wesentlich vielschichtiger als dass ich in diesem Artikel eine umfängliche und abschliessende Lösung finden könnte oder wollte. Jedoch ist mir eines bewusst: Frauen werden bereits in ihren Kindestagen massgeblich anders behandelt, als ihre männlichen Altersgenossen. Sie werden dazu erzogen schüchtern, bescheiden und selbstkritisch zu sein. Auch in unserer heutigen Gesellschaft entspricht es der Realität, dass junge Frauen unterschätzen, während die umgekehrte Tendenz bei jungen Männern festzustellen ist. Frauen übernehmen auch heute noch einen grossen Teil der sogenannten unbezahlten Care-Arbeit: Arbeit, welche in einem Haushalt, einer familiären Gemeinschaft oder Ähnlichem anfällt. Das Putzen, das Wäschewaschen, das Kochen und vieles, vieles mehr.

Fast alle der nach diesem Prinzip funktionierenden Mechanismen fundieren auf Geschlechterrollen: Auf Stereotypen, die in unserer Gesellschaft Generation für Generation übertragen werden und somit sowohl Frauen als auch Männer in gewisse Rollenbildern drängen.

Und genau an diesem Punkt beginnt meiner Meinung nach eine Aufgabe der Bildung: Es ist auch eine Aufgabe der Bildungsorgane, Schülerinnen und Schüler zu sozial reifen Mitmenschen auszubilden. Es ist eine Aufgabe der Schulbildung, Schülerinnen und Schüler auch in einem gewissen Masse zu erziehen. Richten wir also den Schulunterricht auch darauf aus, Schülerinnen und Schülern beizubringen ausserhalb von doktrinären Geschlechterrollen zu denken. Damit Schülerinnen zu selbstbewussteren Menschen heranwachsen und Schüler in ihrem späteren Leben auch glücklich Teilzeit arbeiten können (https://nzzas.nzz.ch/notizen/gluecklich-ist-der-teilzeit-papa-nur-in-der-theorie-ld.1315337).

[1] Lohngleichheit auf der Webseite des Bundesamts für Justiz BJ https://www.bj.admin.ch/bj/de/home/staat/gesetzgebung/lohngleichheit.html (Stand: 25. September 2018)

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